Wandern auf der Mauer – Tag 2
Wir starten mit dem zweiten Tag der geplanten Wanderung auf der Mauer und ich bin gespannt was mich heute erwartet. Ist die Mauer wieder so touristisch erschlossen wie gestern oder doch mehr so belassen wie sie eben ist und RongChao es versprochen hat? Und noch etwas musste er versprechen – heute keine Souvenirs. Ich bin gespannt…
Nach dem Frühstück starten wir wieder am selben Punkt wie gestern: in Jinshanling. RongChaos Frau fährt und darf heute sogar ohne Sondergenehmigung so nah an die Mauer fahren wie gestern nur der Hotelmanager selbst. Ein Anruf bei ihm genügte und die Sicherheitsleute am Parkeingang öffneten auch für uns den Schlagbaum. Böse Zungen würden jetzt sagen: schlecht nur für die, die keine Beziehungen haben…
Wandern gehen RongChao und ich wieder alleine. Seine Frau wird uns am Nachmittag wieder einsammeln und sich die Zeit bis dahin anderweitig vertreiben.
Auf geht’s; den Zugang zur Mauer kennen wir ja schon. Heute laufen wir aber nicht in Richtung Simatai sondern in die entgegengesetzte Richtung, nach Gubeikou. Ungefähr zwölf Kilometer liegen vor uns und geplant sind dafür etwa viereinhalb Stunden.
Kurz nachdem wir auf der Mauer oben angekommen sind und unseren Weg beginnen, zeigt sich tatsächlich, das die Mauer hier weniger restauriert ist. Oft fehlen Wegeplatten oder die Mauern am Rand. Auf- und ab geht es aber immer wieder und auch die Stufen sind hier oft alles andere als in gutem Zustand. Die letzten, wenigen Touristen, die unserem Weg bisher ebenfalls folgten, kehrten spätestens ein oder zwei Wachtürme später wieder um. Jetzt wird die Mauer immer ursprünglicher und natürlicher. Es hatt einen besonderen Reiz hier zu laufen. Die Mauer wird immer schmaler, Wachtürme sind öfter stark beschädigt oder teilweise eingefallen. Kaum begegneten uns noch ein oder zwei andere Wanderer. Es war herrlich hier zu laufen; ruhig, naturnah und mit viel Zeit für neue Fotos.
Ungefähr auf der Hälfte unseres Weges mussten wir die Mauer wieder verlassen. Sperrgebiet. Die Chinesische Armee nutzt dieses Gebiet für sich. Unser Weg führte uns jetzt für eine Weile am Fuß der Mauer entlang. Das war nicht weniger uninteressant. Manche Ton- oder Porzellanscherbe aus längst vergangener Zeit konnten wir hier finden. Und dabei haben wir noch nicht mal danach gesucht.
Weiter geht es noch ein Stück durch Büsche und über Wiesen zurück zu Mauer. Und die zeigte sich hier noch ursprünglicher, wurde teilweise so schmal, so dass sie kaum noch einen Meter Breite hatte. Lange hatten wir schon keine anderen Wanderer mehr gesehen. Und dann sitzt plötzlich ein junges Pärchen im nächsten Turm und nimmt sich eine kleine Auszeit für ein Picknick. Woher, wohin des Wegs waren die ersten Fragen und es zeigte sich, dass man etwa die gleiche Strecke lief, nur in entgegengesetzter Richtung. Woher sie eigentlich kommen wollte ich noch wissen. Aus Frankreich war die Antwort – na sieh mal an. Und da treffen sich die Menschen ausgerechnet in China.
Ein paar Türme weiter zeigte RongChao auf einen kleinen Weg, der weg von der Mauer führte und sagte „hier endet die Tour und das ist unser Weg zum Parkplatz“. Seine Frau wartete dort schon wieder auf uns. „Jetzt schon“ sagte ich nur und die Enttäuschung musste mir wohl anzusehen gewesen sein. Von Müdigkeit oder Erschöpfung war noch nichts zu spüren. Er meinte, wir könnten auch noch ein Stück weiter laufen. Und so wurden aus den geplanten 10 bis 12 Kilometern 15 oder 17 Kilometer und aus den geplanten viereinhalb Stunden etwa fünfeinhalb. RongChao rief seine Frau schnell noch an (das funktioniert auch hier tatsächlich, obwohl wir ziemlich weit abseits sind) damit sie am neuen Endpunkt wieder für uns da ist. Und auf dem letzten Stück der Strecke treffen wir doch tatsächlich noch ein paar kleine Wandergruppen, eine davon aus Malaysia.
Als wir unser Ziel glücklich und nun doch etwas geschafft erreichen, hat RongChaos Frau im Restaurant schon alles für ein gutes Essen für uns organisiert. Wie immer viel zu viel und immer besorgt, dass der Gast genügend bekommt und zu Frieden ist. Zwei schöne Tage, genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Und herzliche Begegnungen mit interessanten Menschen, die, außer RongChao, noch nicht einmal die selbe Sprache sprechen. Aber Hände, Füße, Mimik und Gestik sind ebenfalls tolle Kommunikationsmittel.
Eine Sache hätte ich fast vergessen: gestern schrieb ich davon, dass es manchmal besser ist in Peking nicht Auto zu fahren. Heute haben wir es direkt erlebt. Natürlich brachten RongChao und seine Frau mich auch wieder nach Peking zurück ins Hotel. Leider wechseln die zugelassenen Kennzeichen für die Autos, welche in Peking fahren dürfen, wöchentlich. Und wir hatten das Kennzeichen der falschen Woche. Und wie es so ist, ist genau in solchen Momenten die Polizei vor Ort. Das hieß Geldstrafe, einen Punkt und außerdem musste das Auto innerhalb der nächsten vier Stunden aus Peking raus sein…