Tai Chi und der Botanische Garten
Meister Yang hat einen Tai Chi Kurs für seine Schüler geplant und organisiert. Für mehrere Tage wollen alle gemeinsam trainieren und Zeit miteinander verbringen. Deshalb findet der Kurs auch etwas außerhalb statt. Wer mag übernachtet mit uns im Hotel. Die anderen fahren wieder heim und kommen am nächsten oder übernächsten Tag wieder. So wie es zeitlich bei jedem passt. Mich erinnert das sehr an unsere eigenen Trainingslager, die wir selber mit Großmeister Yang Zhen He in und um Dresden organisieren.
Unser Ziel ist der Botanische Garten von Shijiazhuang. Er liegt am Rande der Stadt und bietet nicht nur viel Grün, sonder auch einen ziemlich großen See und die verschiedensten Pflanzenbereiche. Leider bleibt durch das Training nicht viel Zeit zur Besichtigung. In einem etwas abgegrenzten Bereich befindet sich ein Hotel und Konferenz Zentrum. Eigentlich ist das Hotel nicht für ausländische Gäste zugelassen. Dafür würde das Hotel eine zusätzliche Lizenz benötigen. Es scheint aber nicht so viele ausländische Gäste hier zu geben, so dass sich dass offenbar nicht lohnt. Trotzdem bekommt Meister Yang für mich eine Ausnahmegenehmigung. Traditionen, Tai Chi und Gastfreundschaft scheinen wieder Türen zu öffnen.
Meister Yang hat sich vorgenommen, seinen Schüler ein bisschen Theorie und Tradition zu vermitteln. Neben der Praxis, dass versteht sich von selbst. Und so steht er auch am Flipchart und schreibt die wesentlichen Dinge an seine Tafel. Der Flipchart wird dazu extra aus dem Konferenzzentrum ins Freie gebracht. Von dem was er sagt und schreibt verstehe ich nichts. Aber ich verstehe seine Körpersprache und kann mich gut an die Dinge erinnern, die er mir vorher im persönlichen Training vermittelt hat.
Normalerweise trainiert Meister Yang mit seinen Schülern die kurze Handform. Ich selber habe bei ihm noch die Form mit 38 Elementen gelernt. Jetzt vermittelt er eine etwas modifizierte Form mit 26 Elementen. Also muss ich mich ein bisschen umstellen, was aber nicht so problematisch ist.
Weil sie sonst nur die Handform üben, sind alle seine Schüler ganz gespannt auf die Schwertform. Die soll ja auch ein kleines Highlight dieses Seminars sein. Ich kenne die Form schon und übe sie selber regelmäßig mit meinen Teams. So kann ich mich voll und ganz den Details widmen und meine Form verbessern und weiter entwickeln. Weil ich kein eigenes Schwert habe, leiht mir eine Schülerin kurzerhand ihres und übt selber mit der Schwertscheide weiter. Als ich ihr zu verstehen gebe, dass wir gern tauschen können, besteht sie darauf, das ich das Schwert behalte. Tolle Geste wie ich finde.
So wie in Deutschland auch, fragen seine Schüler den Meister ganz oft nach Details und möchten Videos vom kompletten Formablauf haben. Dem Wunsch kommt auch immer gerne nach. Aber sonst gibt es nicht viel Privatsphäre. Irgendjemand hat immer ein Smartphone bei der Hand und nimmt eine kleine Videosequenz auf. Spätestens am Abend ist die dann mit Musik und bunten Bildchen auf den WeChat-Kanälen online, ob man will oder nicht…