Nachts im Museum
Nachts im Museum hieß mal eine Hollywood Filmkomödie. Oder sind es inzwischen sogar mehrere Teile? Na, ist auch ziemlich egal. Denn mit einer Nacht im Museum kann ich nicht aufwarten. Aber ich denke ein paar Stunden am Tag tun es auch.
Meister Yang ist heute den ganzen Tag bei einem Seminar. Nur für das morgendliche Training bleibt ihm noch Zeit. Danach verabschiedet er sich und übergibt mich in die guten Hände von Herrn Gong. Ihr erinnert euch sicher, dass ist der Mann mit dem Teeshop, von dem ich euch in einer anderen Geschichte erzählt habe. Herr Gong hat nicht nur den Teeshop inne, er ist so ganz nebenbei auch Meisterschüler von Yang Zhen He. Also auch eine Person, von der ich noch jede Menge im Tai Chi lernen kann. Wenn ich es noch nicht erzählt habe: Yang Zhen He ist übrigens der Vater von Yang JianChao, bei dem ich hier zu Gast bin. Also bin ich auch nicht sonderlich böse darüber, heute mal mit Herrn Gong zu üben.
Aber es wird natürlich nicht nur trainiert. Die Kulinarik und die Kultur dürfen nicht fehlen. Also heißt es nach dem Morgentraining erst mal frühstücken. Und direkt danach machen wir uns auf zum Museum der Provinz Hebei. Die Eintrittskarten sind schnell gekauft. Ich muss, wie so oft, aber erst mal noch meinen Reisepass vorzeigen. Also kurz aufklappen und die Seite mit den persönlichen Informationen vorzeigen. Die Dame an der Ticketausgabe schaut darauf, zieht die Stirn etwas in Falten, nickt kurz und gibt mir mein Ticket. Ich vermute mal, sie konnte mit den Informationen genau so wenig anfangen, wie ich mit den meisten chinesischen Schriftzeichen auch.
Im Museumsgebäude ist erst einmal alles riesig. Extrem große Hallen prägen den ersten Eindruck. Die eigentlichen Ausstellungsräume sind dann wieder wesentlich kleiner. Mich überkommt automatisch der Gedanke, wofür das Gebäude wohl genutzt worden sein muss, bevor es zum Museum gemacht wurde.
Gezeigt wird in den einzelnen Museumsräumen die Entwicklung der Provinz Hebei in den unterschiedlichsten Dynastien. Interessant ist dabei z.B. die Entwicklung der Militärtechnik. Waren die Soldaten am Anfang nur mit Streitwagen unterwegs, konnten sie ihre Pferde erst viel später direkt nutzen. Der Grund dafür ist einfach die falsche Kleidung. Mit den langen, kimonoänlichen, Röcken konnte man einfach nicht Reiten. Dafür mussten erst einmal Hosen her.
Wir schauen uns in den Räumen um und bestaunen die einzelnen Ausstellungsstücke, als eine chinesische Gruppe mit einem Museumsführer an uns vorbei, oder besser gesagt um uns herum wuselt. Herr Gong versteht natürlich worüber in der Gruppe gesprochen wird und muss über einen Ausspruch des Museumsführers herzlich lachen. Als er dann auch noch einen Kommentar dazu abgibt, beginnt ein kurzes Gespräch zwischen ihm und dem Museumsführer. Und wie sollte es auch anders sein, dabei fällt dabei natürlich auf, dass die Person neben Herrn Gong etwas anders aussieht als sonst in China üblich. Es entwickelt sich die typische Fragerunde: woher ich komme, was ich hier mache und so weiter. Oh, der Museumsführer ist erstaunt. Ein Gast aus Deutschland. Es scheint zumindest nicht alltäglich zu sein, denn er kommt kurz auf mich zu, gibt mir die Hand und heißt mich, in etwas gebrochenem Englisch, im Museum herzlich willkommen. Eine tolle Geste, wie ich finde. Die Gäste in der chinesischen Gruppe sind nun natürlich auch noch etwas neugieriger geworden und fragen nochmal nach. Wie das genau ist, mit dem Tai Chi. Wollen sie wissen. Herr Gong erklärt daraufhin sehr geduldig, dass wir dem Tai Chi Stil der Familie Yang folgen. Das dieser Stil aus Guangfu, auch Yongnian genannt, stammt und von Meister Yang Luchan begründet wurde. Ach, da müssen Sie ja auch etwas über die Kultur in China lernen. Sagt eine Frau aus der Gruppe zu mir. Und da gibt es viel zu lernen, meint sie noch. Naja, müssen muss ich jetzt nicht unbedingt. Aber etwas über die Kultur Chinas zu erfahren ist schon nicht schlecht. Und so uninteressant sind die vielen tausend Jahre Geschichte das Landes ja nun auch nicht – oder?