Bailin Tempel
Ob ich Wünsche hätte? Was ich in meiner Zeit in China gerne machen oder sehen möchte? Fragte mich Meister Yang einmal. Na und ob ich die habe. Der Besuch des Bailin Tempels in Shijiazhuang ist einer davon. Ein bisschen Historie und Kultur gehört doch zu einem Besuch in China dazu.
Und so begab es sich eines Tages… Ach nein, dass ist ja hier kein Märchen, sondern eine wahre Geschichte.
Meister Yang holte mich zum Morgentraining ab, wie immer. Nach dem Training gibt es erst mal ein Frühstück, auch das war wie immer. Und es war auch nichts besonders, dass zwei weitere Studentinnen von Meister Yang beim Frühstück dabei waren. Das kam hin und wieder mal vor.
Aber dann blieben die beiden Schülerinnen bei uns und stiegen mit ins Auto und los ging die Fahrt. Ich hatte keine Ahnung was Meister Yang geplant hatte. Wir holten schnell noch seine Frau von zu Hause ab. Und erst jetzt offenbarte er mir, was er heute vor hatte. Wir wollten zum Bailin Tempel fahren.
Der Tempel befindet sich ein wenig außerhalb von Shijiazhuang City, im Außenbezirk Zhao County. Etwa 50 km Fahrt lagen also vor uns. Aber die sind, auch dank der teilweise bis zu vierspruig ausgebauten Schnellstraßen kein Problem.
Der Reiseführer weiß zu berichten, das der Tempel auf der Liste der bedeutendsten Tempel Chinas zu finden ist. Wie lang die Liste ist, habe ich aber (noch) nicht heraus gefunden. Der Tempel stammt aus der Zeit der Yuan Dynastie und ist etwa 1340 fertig gestellt worden.
Wir treffen einen Mönch und eine Studentin von Meister Yang unterhält sich mit ihm in einer Entfernung von uns. Was genau die beiden besprechen kann ich nicht verstehen. Aber sie kommen zu uns, ich werde kurz vorgestellt und wieder einmal ist jemand beeindruckt, dass ein Deutscher den weiten Weg nach China gefunden hat. Er läd uns ein, am Essen der Mönche teilzunehmen.
Zum Essen müssen wir uns trennen, denn Frauen und Männer dürfen die Speisehalle nur auf getrennten Seiten betreten. Während des Essens darf nicht gesprochen werden und alle unnötigen Geräuche sind zu vermeiden. Auch die Handys sind zumindest auf lautlos zu stellen. Jeder holt sich zwei Schüsseln aus einem Warmhalteschrank und natürlich das Besteck, die Essstäbchen, dazu. Die Schüsseln werden an der hinteren Tischkante aufgestellt. Später werden die Mönche dann durch die Reihen laufen und Reis, Gemüse, Brot, Obst und andere Dinge in den Schüsseln verteilen. Möchte man nichts mehr essen, muss man die Schüsseln von der Tischkante zurück ziehen.
Es wird unglaublich viel Essen verteilt und offenbar kann jeder, der sich gerade im Tempel befindet, an der Zeremonie teilnehmen. Manche Gäste kommen mit eigenen Gefäßen, in denen sie auch jede Menge Essen mitnehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob dass jetzt so eine Art „Armenspeisung“ ist. Meister Yang meint, es ist eher eine Art zu zeigen, wie reich das Kloster ist und dabei noch etwas Gutes zu tun.
Die ganze Zeremonie beginnt mit einem Gong. Alle erheben sich von den Plätzen und das Gebet wird gemeinsam gesungen. Also, die Anderen singen. Ich bin nur stiller Zuhörer. Beendet wird die Zeremonie mit den klingeln eines leisen Glöckchens. Wieder erheben sich alle und singen das Abschlussgebet. Man darf sein Essen anschließend aber noch aufessen, bevor alle den Raum wieder verlassen.
Nach dem Essen führt uns unser Rundgang weiter durch die Tempelanlage. In vielen kleineren Tempelhäusern sind vergoldete Statuen von Heiligen zu sehen. Kleine Kissen liegen davor. Man kann sich darauf knien und um Erfüllung von Wünschen nach Gesundheit, Wohlstand oder anderen Dingen bitten. Dreimal faltet man dazu die Hände vor der Brust, wie zum Gebet, bewegt dann die Stirn in Richtung Kissen. Die Hände werden neben den Kopf gelegt und mit der Handfläche in Richtung Himmel gedreht. Die Energiepunkte in den Handflächen sollen dadurch eine gute Verbindung zum Himmel bekommen.
Highlights der ganzen Anlage sind sicher das große Tempelhaus und die große Pagode. Sie soll die älteste mehrstöckige Pagode aus Ziegelstein in China sein. Und mit ihren 57 Metern Höhe ist sie auch beeindruckend und weithin sichbar.
Meister Yang erklärt mir noch, dass Bailin, der Name des Tempels, genau so geschrieben wird wie das chinesische Wort für Berlin. Was beide Dinge miteinander zu tun haben ist mir allerdings noch nicht so richtig klar geworden. Vielleicht bekomme ich das noch raus. Unsere Fahrt geht jetzt erst einmal weiter zu einer tausendjährigen Brücke – aber davon erzähle ich euch in einer anderen Geschichte.